09/2023

Aus Liebe zum Detail

Zweckmäßiger Perfektionismus als Erfolgsformel

Text und Fotos: H. Malguth

Als Gastgeber unserer Rubrik »Werkstattporträts« haben wir Kfz-Meister Alexander Gerzen gewonnen. Seine nicht nur technisch  ambitionierte, sondern auch optisch überzeugende Konzeptwerkstatt hat sich im Umfeld eines bedeutsamen Industriegebiets am Rande von Quakenbrück (nördlich von Osnabrück) zu einem kompetenten Ansprechpartner für einen stetig wachsenden Kundenkreis entwickelt.
Zunächst geht unser Dank an Sie, Herr Gerzen, dass Sie diesem Gespräch trotz eines randvollen Terminkalenders so kurzfristig zugestimmt haben.

Welche Umstände haben dazu geführt, dass Sie heute als Inhaber dieses schicken Betriebes fungieren?
Ich hatte 2011 erfahren, dass der Vorgänger dieser Werkstatt altersbedingt nach einem Nachfolger suchte und habe sie dann zunächst gepachtet und sechs Jahre später gekauft.

Es sieht hier aber alles noch sehr neuwertig aus…
Nachdem ich den Betrieb gekauft hatte, habe ich hier alles auf links gedreht: Neue Fassade, neues Dach für den Altbestand der Immobilie sowie den 15 m langen Anbau der Werkstatt. Das habe ich dann während des laufenden Betriebs ausführen lassen und auch selbst sehr viel mitgeholfen. Als das Dach abgedeckt und der Betrieb nicht einbruchsicher gewesen ist, habe ich sogar eine komplette Woche lang hier übernachtet.

Mittlerweile agieren Sie als gestandener Profi. Woher stammen Ihre Kenntnisse?
Gelernt habe ich in einem VW Autohaus und auch noch ein Jahr nach der Ausbildung dort als Geselle gearbeitet.
Als mein damaliger Ausbilder und Meister dann den Entschluss fasste, sich selbständig zu machen, bot er mir einen Arbeitsplatz in seiner eigenen freien Werkstatt an.
So wurde mein ehemaliger Meister und Auszbilder zu meinem Chef, den ich neun Jahre lang als Stellvertreter unterstützen durfte. Ich habe sehr viel über die Organisation eines Betriebes, das Bestellwesen, die Werkstatttechnik und den Kundenkontakt gelernt.
Im Alter von 30 Jahren habe ich den Meisterkurs besucht und erfolgreich abgeschlossen, um mich anschließend selbstständig zu machen. Mein Sohn hat ebenfalls im Kfz-Handwerk gelernt und arbeitet mittlerweile erfolgreich in meiner Werkstatt mit.

Die Werkstatt ist auch auf das Saisongeschäft Reifenwechsel professionell vorbereitet.

Wie groß ist das Einzugsgebiet Ihrer Werkstatt?
Die meisten kommen aus einer Entfernung von bis zu 20 km Umkreis. Befreundete Kunden und gute Bekannte nehmen auch schon mal eine deutlich längere Anfahrtszeit auf sich, weil sie ihr Fahrzeug hier in guten Händen wissen. Sie lassen Ihre eigenen Pkw dann hier und nehmen einen Werkstattersatzwagen mit nach Hause.

Sie befinden sich hier in illustrer Gesellschaft von etlichen namhaften Autohäusern.
Wie wirkt sich das auf die Wettbewerbssituation aus?
Bei einigen Dienstleistungen wie Getriebespülungen beobachten wir einen Rückgang der Nachfrage, weil diese mittlerweile auch andere Betriebe anbieten. Wir sind jedoch so breit aufgestellt, dass uns diese Marktveränderungen keine Sorgen bereiten.

Sie bieten auch Karosseriearbeiten an…
Unter anderem auch das. Spezialisiert haben wir uns zudem auf den Klimaservice mit dem neuen Kältemittel 1234yf, das überwiegend in koreanischen Fahrzeugen von Nissan, Kia oder Hyundai zum Einsatz kommt.

Das Team vom Autohaus Gerzen.

Wie stehen Sie zum Thema E-Mobilität?
Wir bewegen uns hier in einer recht ländlichen Umgebung. Meines Wissens existieren daher auch nur zwei frei zugängliche Ladesäulen. Das sagt schon viel über das Thema aus.
Wir selbst haben zwei Tesla Kunden, die regelmäßig zu uns kommen. Für diese Fahrzeuge verfügen wir über die vorgeschriebenen Absperrvorrichtungen. Damit erschöpft sich unser Engagement auf diesem Gebiet. Ich selbst stehe der Technologie skeptisch gegenüber und warte erstmal ab, wohin die Reise geht...

Es gibt auch seitens der Politik und öffentlichen Bauträger nur zögerliche Investments…
Bestes Beispiel dafür ist die Schilderung eines befreundeten Unternehmers, der in Bremen eine Neubausiedlung plant. Dort waren für 90 Wohneinheiten auch ebenso viele Ladestationen vorgesehen. Als der zuständige Stromversorger von diesen Plänen hörte, haben die diese Planspiele rasch auf 18 bis 20 Ladestationen eingedampft, die jetzt realisiert werden sollen.  

Wo sehen Sie die Kernkompetenz Ihrer Werkstatt?
Im Bereich der Diagnose sind wir sehr stark. Für das Aufspüren von Fehlern in der Fahrzeugelektrik ist einer unserer Mitarbeiter verantwortlich. Er verfügt über großes Know-how und die erforderliche Ruhe im Umgang mit der Technik.

Und damit kann man Geld verdienen?
Alexander Gerzen (schmunzelnd): Eigentlich nicht, nein! Trotzdem bieten wir diesen Service an, weil wir das wichtig und richtig finden.

Sind Sie auch im Fahrzeugverkauf aktiv?
Ja, aber der Markt bietet aktuell nicht viel an.

Ihr Unternehmen setzt ganz besonders auf das Zugpferd »Ausbildung«. Mit derzeit drei Auszubildenden werden Sie so manchen Mitbewerber neidisch machen. Viele Kollegen klagen über Nachwuchsmangel. Welche Vorgehensweise hat sich dabei für Sie am meisten bewährt?  
Ich bin oft im Bekannten- und Freundeskreis unterwegs und frage stets, ob irgendjemand Lust hat, ein Praktikum in einer interessanten Kfz-Werkstatt zu absolvieren. Wichtig ist für mich, dass die jungen Leute handwerkliches Geschick mitbringen und dann auch aus Überzeugung eine Ausbildung bei uns starten. Das ist im Prinzip schon das ganze Geheimnis.

Wie steht‘s bei Ihnen um das Segment Reisemobile?
Wir bieten den Service an diesen Fahrzeugen in Kooperation mit einem Sachverständigen und Gutachter für Wohnmobile an. Er agiert ebenfalls selbstständig und ist zudem selbst ambitionierter Camper und überzeugter Besitzer eines Reisemobils, sodass er genau weiß, worauf es bei diesen Fahrzeugen ankommt.

Sind Sie auf bestimmte Fabrikate spezialisiert?
Nein, es kann kommen, was will:
Tesla, Maserati, Porsche – wir haben bislang jedem helfen können.

In welches Equipment oder welche Fortbildungsmaßnahmen gedenken Sie in absehbarer Zeit zu investieren?
Hier haben wir aktuell keinen Investitionsstau. Die Werkstatt ist neuwertig ausgestattet. Bei der Fortbildung setze ich aktuell auf den Bereich Karosseriebau. Erfahrungsgemäß fahren die Kunden ihre Autos länger als früher.
Somit steigt deren Bedarf, etwas instandsetzen zu lassen. Außerdem werden Fahrzeuge auch nicht mehr in größerem Umfang ins Ausland verkauft. Das eröffnet uns gute Möglichkeiten. Immer interessanter wird für uns auch der Bereich Glasreparatur: Durch die in den Windschutzscheiben verbauten Sensoren und technischen Radarsysteme wechseln wir die Glaselemente meistens noch nicht selbst. Hier haben wir noch Nachholbedarf, den es aufzuarbeiten gilt!

Auf welche Medien verlassen Sie sich bei der Selbstvermarktung?
Ich setze da auf das Internet und – die Mundpropaganda!
Meine Bitte an die Kunden lautet:
»Hat‘s dir gefallen, sag’s weiter. Hat‘s dir nicht gepasst, sei still!«.

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