Digitale Assistenzsysteme
Auf diese Co-Piloten ist Verlass
Text: H. Malguth, Fotos: Adobe Stock
Seit die Digitalisierung unseren Alltag erobert hat, ist sie auch zum wesentlichen Bestandteil des Fahrens geworden. Letztendlich soll dies darin gipfeln, Fahrzeuge autonom zu steuern. Auf dem Weg dorthin sind es diverse kleine Helfer, die ihren Beitrag dazu leisten, uns auch in schwierigen oder unübersichtlichen Verkehrslagen zu unterstützen.
An erster Stelle – zumal auch am bekanntesten – stehen hier die Einparkhilfe, der Spurhalteassistent oder der Abstandregler für diese Form elektronischer Hilfssysteme. Blieben diese technischen Errungenschaften zunächst nur den Luxusmodellen oder Pkw des gehobenen Segments vorbehalten, findet man sie mittlerweile auch bei Autos der Mittelklasse. In der Lkw-Szene hat die in den Medien verbreitete Debatte um den Abbiegeassistenten einem weiteren digitalen System zu großer Popularität verholfen. Daraus wird ersichtlich, dass es beim Einbau in moderne Fahrzeuge darum geht, die Unfallzahlen und somit die Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Verkehrsteilnehmer zu reduzieren. So schreibt die EU ab 2022 zahlreiche weitere Assistenzsysteme u.a. in Pkw zwingend vor.
Was die wenigsten wissen: Die entsprechende EU-Verordnung ist bereits seit Ende 2019 in Kraft und erlangt ab dem 6. Juli 2022 für alle in der EU typ-genehmigten Pkw ihre Gültigkeit. Das erklärt auch das emsige Bestreben der Kfz-Industrie, diese Systeme in hoher Anzahl zu verbauen. Ab dem 7. Juli 2024 müssen dann alle neu zugelassenen Pkw diese Systeme zusätzlich zu den bereits vorgeschriebenen Assistenten wie ABS, ESP oder Reifendruckkontrollsysteme serienmäßig an Bord haben.
Dabei ist die Erfolgsgeschichte digitaler Assistenten ja keineswegs ein Thema der Neuzeit: Mit der 1978 erfolgten Einführung des Anti-Blockier-Systems (ABS) begann die Ära elektronischer Fahrzeugassistenz. Aus modernen Fahrzeugen nicht mehr wegzudenken sind immer leistungsstärkere Navigationssysteme, die mittlerweile nicht nur dabei helfen, Staus zu umfahren.
Fluch oder Segen?
Viele Autofahrer begegnen zumindest einem Teil der digitalen Assistenzsysteme mit Skepsis. Sie befürchten eine Bevormundung oder das Ausspionieren der eigenen Fahrdaten. Daher sind verschiedene Systeme aktuell so konzipiert, dass der Fahrer sie jederzeit abschalten kann, wenn er deren technische Unterstützung als Eingriff in seine Autorität betrachtet. Nachfolgend machen wir Sie mit den bedeutendsten technischen Innovationen vertraut:
Der Geschwindigkeitsassistent warnt den Fahrer über eine Anzeige im Cockpit oder ein pulsierendes Gaspedal vor dem Überschreiten der geltenden Geschwindigkeit. Das System kann manuell deaktiviert und genauso leicht wieder aktiviert werden. Selbst im Passivmodus versorgt es den Fahrer noch mit Informationen zu Tempolimits. Die Zukunft sieht eine Drosselung des allgemein gefahrenen Tempos vor, sodass die Politik zunehmend darauf drängt, diese Systeme künftig nicht mehr deaktivieren zu können.
Ein besonders wertvoller Digital-Assi ist der Notbremsassistent. Er ist mit Radar, Lidar und Kamerasystemen ausgestattet und erkennt selbstständig eventuelle Gefahrensituationen. Auch wenn der Fahrer handlungsunfähig ist, bremst das System das Fahrzeug ab, um eine Kollision zu verhindern oder abzumildern. Die in ihm verbaute künstliche Intelligenz schaltet die Technik ab, wenn die äußeren Bedingungen für einen regulären Einsatz nicht gegeben sind.
Wird der komplette Notbremsassistent vom Fahrer deaktiviert, ist er nach Neustart des Fahrzeugs automatisch wieder aktiv.
Im Vergleich zum bereits in vielen Fahrzeugen installierten Spurhalteassistenten kann der sogenannte Notfall-Spurhalteassistent als sein deutlich strengeres Pendant gesehen werden:
Er warnt den Fahrer, wenn das Fahrzeug ungewollt die Fahrspur verlässt. Im Gegensatz zum bekannten Spurhalteassistent greift der Notfall-Assistent deutlich aggressiver ein, sobald er eine wirklich brenzlige Situation wie zum Beispiel das Abkommen von der Straße registriert. Das System deaktiviert sich allerdings selbsttätig, wenn dessen Funktion durch eine unzulängliche Fahrbahnbeschaffenheit nicht gewährleistet werden kann.
In der Luftfahrt bereits seit Jahren bewährt, hält die Blackbox künftig auch bei den gewöhnlichen Pkw Einzug:
Ihre Aufgabe besteht darin, jene Daten aufzuzeichnen und zu speichern, die unmittelbar vor, während oder nach einem Zusammenstoß von Wichtigkeit sein können. Dabei werden Fahrzeuggeschwindigkeit, Bremswege, Zustand und Grad der Aktivierung aller Sicherheitssysteme, Position und Neigung des Fahrzeugs auf der Straße, Daten aus dem eCall-System sowie aus den aktiven Sicherheits- und Unfallvermeidungssystemen. Aufzeichnung und Speicherung sind anonymisiert und können nationalen Behörden zum Zweck der Unfallforschung über eine Standardschnittstelle zur Verfügung gestellt werden. Die letzten vier Ziffern der Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie weitere Infos zum Eigentümer oder Halter werden dabei nicht übermittelt oder gespeichert. Die Blackbox kann nicht deaktiviert werden und wird zum festen Bestandteil – auch in teil- und vollautonomen Fahrzeugen.
Neues Bordmitglied im Verbund der digitalen Assistenten wird das Notbremslicht. Ob es künftig als »Lichtsignalfunktion« oder »adaptives Bremslicht« in den Sprachgebrauch Einzug findet, wird sich zeigen. Jedenfalls zeigt es Verkehrsteilnehmern an, dass der vor ihnen fahrende Pkw mit einer stärkeren Verzögerung abgebremst wird. Entsprechend blinken die Bremslichter in schneller Folge bei einer Verzögerung von über 6 m/s und Geschwindigkeiten jenseits von 50 km/h. Es schaltet sich auch zu, wenn das ABS-System den Bremsvorgang übernimmt. Kommt das Fahrzeug zum Stillstand, schaltet sich die Warnblinkanlage zu und das Bremslicht leuchtet dauerhaft. Aktiviert wird es über ein Steuergerät, das Pedaldruck, Betätigungstempo des Bremspedals, ESP- und ABS-Eingriff, Geschwindigkeit des Fahrzeugs und Reifenhaftreibung registriert.
Für die bereits erwähnten Stichtage 2022 und 2024 müssen Pkw über eine standardisierte Schnittstelle verfügen, die das Nachrüsten einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre ermöglicht. Ziel ist es, dort ein Atemalkoholgerät anzuschließen, um die Zündung erst nach einer positiven Atemprobe zu aktivieren.
Schon länger auf dem Markt befinden sich digitale Assistenzsysteme wie Müdigkeitswarner, Rückfahrassistent und Sicherheitsgurt-Warnsystem, die wir hier der Vollständigkeit halber aber nicht unerwähnt lassen möchten.
Viele Systeme von modernen Autos haben sich zwischenzeitlich hinlänglich etabliert und genießen eine hohe Akzeptanz.
Dass elektronische Einrichtungen wie die Black Box oder der Geschwindigkeitsassistent kritisch gesehen werden, ist nur allzu verständlich. Doch wenn die Praxis in der Umsetzung dieser politischen Vorgabe zu dem Resultat kommt, dass sich die Anzahl von Unfällen oder Verkehrstoten dadurch reduziert, dann findet sie ihre moralische Berechtigung...
Quelle: Auto Motor und Sport